Afghanistan-Netzwerk
16. Oktober 2009
Dank der engagierten Organisation unserer deutschen GastgeberInnen kamen in Berlin 55 führende Persönlichkeiten der Friedensbewegung zusammen, die Netzwerke, Koalitionen und Foschungsinstitute aus 15 europäischen, nordamerikanischen und nahöstlichen Ländern repräsentieren. Sie diskutierten die Entwicklungen des katastrophalen Krieges in Afghanistan und die Kalkulationen und Strategien der Kriegsführung unter der Obama-Regierung und tauschten weiterhin Informationen über die Aktionen ihrer Bewegungen und Organisationen aus. Ziel sollte sein, Wege der Zusammenarbeit zu finden, um die Fähigkeiten der Bewegungen auszubauen und die mehrheitliche Opposition gegen den Krieg in eine politische Kraft umzuwandeln, die notwendig ist, um diesen Krieg zu beenden.
Der US-Delegierte sprach internationale Bedenken an, als er berichtete, dass die kürzliche Nominierung Obamas für den Friedensnobelpreis weitgehend als unverdient angesehen werde, besonders zu einer Zeit, da Obama und seine MinisterInnen und BeraterInnen sich neu auf ihren Krieg in Afghanistan und Zentralasien einstellen und damit drohen, ihn eskalieren zu lassen. Obama sei eine reaktionäre Figur, die die elitären Kräfte repräsentiert und nach deren Mandat handelt: durch militärische, diplomatische und ‚weiche’ Macht soviel Einfluss auf globaler Ebene zurück zu gewinnen, wie es im Anschluss an den „Kriegspräsidenten“ George W. Bush möglich ist.
Betrachtet man die Bündnisse mit Warlords, die korrupte und unbeholfene Karzai-Regierung und die Allianz mit Pakistans militärdominierter Regierung, so werde der zentralasiatische Krieg dem verheerenden Vietnamkrieg immer ähnlicher, so der Delegierte. Diese Parallele werde nicht nur in intellektuellen Kreisen, sondern auch in der Öffentlichkeit immer häufiger hergestellt.
General McChrystal hat Obama drei Optionen für die Aufstockung der Truppen präsentiert, die umfangreichste davon mit über 60000 Truppen. Die Obama-Regierung ist dabei ernsthaft über das weitere Vorgehen zerstritten. Obama verliert nach und nach die Unterstützung der Demokraten im Kongress. Außerdem baut die US-amerikanische Friedensbewegung durch Aufklärungsarbeit, Demonstrationen, friedlichen zivilen Ungehorsam und Lobbyarbeit zunehmend stärkeren politischen Druck auf.
Mit den vielen kurzen Berichten über die nationalen Regierungspolitiken und die Reaktionen der Friedensbewegungen zeichnete sich ab, dass es für die USA schwer werden würde, die europäischen Truppen im Falle eines Abzuges zu ersetzen. In Irland wird mit der Nutzung des zivilen Shannon-Flughafens als Hauptverkehrsknotenpunkt für Kriegstransporte und der dortigen Stationierung von US-Truppen gegen die Verfassung verstoßen. Die türkische Regierung bedient sich des Obama-Modells und verspricht „Change“, während sie einen Krieg führt, der von der Mehrheit der türkischen Bevölkerung abgelehnt wird. In Italien – wie in allen anderen bei dem Treffen in Berlin repräsentierten Ländern – kann die Friedensbewegung mittlerweile Millionen von Menschen mobilisieren, im Widerstand gegen den Krieg auf die Straße zu gehen und sie wird dem ‚Armed Forces Day’ mit Aufrufen in den größten Städten des Landes entgegnen. Auch der Widerstand gegen US-amerikanische Militärstützpunkte in Italien ist weitverbreitet.
Wir wurden bestärkt, in Afghanistan arbeitende humanitäre Organisationen herauszufordern, die durch Regulationen der US-Armee kontrolliert und kooptiert werden, um zur Aufstandsbekämpfung beizutragen.
Deutschland leidet weiter unter der Obamania, auch wenn die öffentliche Meinung durch das von deutschen Kräften angeordnete Bombardement unschuldiger ZivilistInnen stark beeinflusst wurde. Doch obwohl niederländische, kanadische und japanische Truppen abziehen, erwägt die neue konservative deutsche Regierung eine Aufstockung der SoldatInnen um über 50%. Die Einbeziehung Deutschlands in den Krieg begrenzt sich nicht nur auf die Entsendung von Truppen. Viele US-Stützpunkte im Land sind stark in den Krieg involviert, ebenso wie wichtige Bereiche der deutschen Zivilgesellschaft – von DHL und anderen Lieferunternehmen bis hin zum Einsatz Arbeitsloser für die Assistenz beim Training der US-Armee.
Präsident Sarkozy und Kanzlerin Merkel planen eine internationale Konferenz zu Afghanistan, der wir mit alternativen Aktivitäten begegnen sollten. In Deutschland muss die Friedensbewegung die Sozialdemokraten und die Grünen dazu drängen, den Krieg nicht weiter zu unterstützen. Eine wichtige Initiative der deutschen Friedensbewegung werden Unterschriftenaktionen am Ende des Monats sein, um die mehrheitliche Opposition gegen den Krieg sichtbar zu machen.
Es gab einen ernsten Austausch über die unmittelbaren Auswirkungen des Krieges, über die zunehmende Militarisierung der afghanischen Gesellschaft durch den Versuch, eine gewaltige Armee und Polizei aufzubauen, und über afghanische Frauen und die Bedeutung eines Truppenabzugs für sie. Man kam darin überein, dass dies stärker thematisiert werden müsse. Die Auffassung, dass die Friedensbewegungen klar vertreten müssen, dass weder Befreiung noch Demokratie durch den Einsatz von Waffen erreicht werden könne, war dennoch vorherrschend. Und dass wir den sofortigen Abzug fordern müssen, bei gleichzeitiger Unterstützung der für ihre Freiheit kämpfenden afghanischen Frauen.
Für gemeinsame Initiativen und Aktionen verständigten wir uns auf folgendes:
- Um das Ausmaß der Beteiligung unserer Regierungen am Krieg zu beleuchten und damit eine Quelle für den Widerstand der Bevölkerung bereitzustellen, werden alle Friedensbewegungen Informationen ermitteln, inwieweit Militärstützpunkte in ihren Ländern den Krieg unterstützen. Diese senden sie an das ‘International Network for the Abolition of Foreign Military Bases’, welches eine Karte und andere Materialien entwerfen und auf ihrer ↗ Internetseite bereitstellen wird.
- Es besteht der Bedarf einer Webseite für die internationale Friedensbewegung, die auf Afghanistan bzw. Zentralasien fokussiert ist. Es wurde vereinbart, eine Kollaboration mit einer schwedischen Friedensorganisation zu nutzen, die die nun inaktive Webseitewww.stopthewarinafghanistan.com anlässlich des Europäischen Sozialforums in Malmö angelegt hatte. Neben Analysen und Informationen über die Aktionen der Friedensbewegungen sollen über die Website auch Vorschläge und Ideen von afghanischen Friedensorganisationen einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden.
- Es wurde abgestimmt, eine alternative Antikriegs-Konferenz zu dem Zeitpunkt zu halten, da die Sarkozy/Merkel Afghanistan-Konferenz stattfindet. Es wurde ein Vorbereitungskomitee eingerichtet, um die Konferenz zu organisieren. In die Konferenz sollen Kriegsgegner aus Afghanistan einbezogen werden und sowohl nahe liegende Themen als auch prekäre Fragen wie ‚Frauen und Krieg’ angesprochen werden.
- Wir sind uns einig, dass internationale Aktionstage gegen den Krieg wichtig und notwendig sind. Wegen der Beanspruchung der Mobilisierung für die NPT-Konferenz in diesem Frühjahr verständigten wir uns darauf, die Aktionen zum Jahrestag des Krieges vom 8. bis 10. Oktober zu veranstalten. Außerdem einigten wir uns, dass ein internationaler Aktionstag als Reaktion auf bestimmte unerwartete Ereignisse per Email koordiniert werden kann und dass es Anti-Kriegsaktionen während des nächsten NATO-Gipfels in Portugal geben wird.
>>International Days of Action Events October 7th – 10th