Brief an die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Aufrufs zur Kundgebung am 20.01.2017
von Reiner Braun und Wolfgang Gehrcke am 16.12.2016
Liebe Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Aufrufs zur Kundgebung am 20.01.2017, liebe Kolleginnen und Kollegen,
unser Aufruf ist in kurzer Zeit auf eine große weitgehend positive Resonanz gestoßen. Dies zeigt nicht nur die Bereitschaft von Persönlichkeiten aus ganz unterschiedlichen sozialen und politischen Spektren ihn zu unterzeichnen, dies zeigen auch Rückmeldungen, die auf Artikel und Beiträge gekommen sind, die wir zur Sicherheits- und Außenpolitik Trumps veröffentlicht haben.
Personelle Entscheidungen im Außen, Finanz/ Wirtschafts- sowie sozialen Bereich unterstreichen den rassistischen, chauvinistischen und aggressiven Kern seiner zukünftigen Politik. Erste Ankündigungen für die drastische Erhöhung des Rüstungsetats, sowie politische Diskussionen in den beiden Häusern lassen auch gegenüber Russlands deutlich weitere Verschärfungen befürchten (siehe Mc Cains Äußerungen am Sonntag, 11.12.2016). Im Gespräch mit dem NATO-Generalsekretär Stoltenberg wurde eine mehr als deutliche Unterstützung der aggressiven NATO erkennbar, auch wenn Lasten anders verteilt werden sollen.
Dass Trump der beste Vorwand für die deutsche und europäische Politik ist, lang gewünschte Ziele bis hin zu einer europäischen Atommacht zu realisieren, sei nur nebenbei erwähnt.
Deutlich wurde in den intensiven Diskussionen u.a. auf dem Kasseler Friedensratschlag, bei KenFm und in den Nachdenkseiten aber auch, dass es noch Bedenken gegen Teile der klaren Aussagen des Aufrufs gibt, öfters vorgetragen mit dem Argument „auch ihm sollten wir 100 Tage geben“. Bei anderen klang auch eine offene Unterstützung für Trump durch, öfters formuliert als Trump sei ein Freund einer „Entspannungspolitik mit Russlands“.
Wir haben es also mit einer komplizierten und widersprüchlichen Diskussionslage in der Friedensbewegung zu tun. Diese wollen wir nicht weiter verkomplizieren, sondern durch die Klärung inhaltlicher Positionen zu einer weiteren Stärkung und Vereinheitlichung der Bewegung beitragen. Für uns waren und sind besonders die Aktionen in Ramstein und die Demonstration am 8.10.2016 wichtige Schritte auf dem Weg zu einer notwendigen (siehe europäische und deutsche Reaktionen auf Trump) Revitalisierung und Erneuerung der Friedensbewegung. Dies kann nur in gemeinsamer (großer) Aktion stattfinden.
Deswegen möchten wir den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Aufrufs den folgenden Vorschlag machen.
Lasst uns gemeinsam mit allen Nachdenklichen, Besorgten und Kritikern zusammenkommen, um über die politische Lage nach dem Regierungsantritt von Trump zu beraten. Wir sind davon überzeugt, dass wir eine verschärfte konfrontative, kriegerische Periode vor uns haben, wenn wir den Kriegstreibern beiderseits des Atlantiks nicht mit mehr Menschen in die Arme fallen. Der Aufruf beschreibt im Detail, was wir damit meinen.
Wir möchten deshalb alle Interessierten am 20.01.2017 ab 20.00 zu einer solchen öffentlichen Diskussion einladen.
Lasst uns also gemeinsam diskutieren und beraten, was wir tun sollen. Diese Initiative bedeutet für uns auch, dass wir vorschlagen, auf die eigenständige Kundgebung am 20.01.2017 zu verzichten.
Gleichzeitig regen wir an, sich an den von einem breiten Bündnis geplanten Aktionen am 20.01.2017 zu beteiligen. Es ist sicher gut, wenn möglichst viele Menschen ihren Unmut gegen die menschenverachtenden Ankündigungen von Trump am Tag seiner Inauguration in Solidarität mit den sozialen Bewegungen der USA zum Ausdruck bringen. Wir setzen uns dafür ein, dass bei diesen Protesten die Friedensfrage eine wichtige Rolle spielt.
Auch wir wissen, eine gute Initiative zu früh gestartet, kann mehr Probleme und Kontroversen hervorrufen als notwendig ist. Für uns war und ist das einheitliche Handeln der Friedensbewegung immer ein hohes Gut. Dies gilt besonders in einer Situation wo die Hetze gegen die Friedensbewegung angesichts des Syrienkrieges gerade wieder aufflackert. Mit mehr werden wir rechnen müssen, wenn wir auf der Straße gegen die Aufrüstungs- und Konfrontationspolitik verstärkt aktiv werden.
Lasst uns deshalb gemeinsam diskutieren und dann auch schnell handeln
- gegen die Rüstungspolitik der Bundesregierung,
- gegen die europäische Militarisierung,
- gegen Kriege, Konfrontation und Aggressionen weltweit.
Der neue US-Präsident steht für das Gegenteil einer demokratischen, ökologischen, partizipativen, gerechten, friedlichen Welt in ihren natürlichen Grenzen.
Dafür müssen wir und wieder viel mehr Menschen aktiv werden.
Es lohnt sich, weiter über den richtigen Weg zu streiten und gemeinsam zu handeln.
Wir sehen uns am 20.01. zur Debatte.
Reiner Braun
Wolfgang Gehrcke