Online-Protest am 21. März gegen NATO-Kriegsmanöver – Video Ludo De Brabander
Ludo De Brabander ist ein belgischer Friedensaktivist und Sprecher der Organisation Vrede vzw.
Er ist Mitglied des internationalen Koordinationskomitees des internationalen Netzwerkes „Not o war – no to NATO“. Er war einer der Hauptorganisatoren der beiden letzten NATO-Gegengipfel in Brüssel (Mai 2017 und Juli 2018).
Er ist Autor mehrerer Bücher über die NATO, die Militarisierung, den Nahen Osten und die Kurdenfrage. Er reist regelmäßig durch den Nahen Osten und schreibt darüber in verschiedenen gedruckten und elektronischen Publikationen.
Er hat seine Rede auch verschriftlicht.
NATO-Kriegsspiele in Osteuropa
Ludo De Brabander, Vrede vzw (Belgien)
Vielen Dank, für die Einladung ein paar Worte an Sie zu richten. In den letzten Wochen habe ich die Aktivitäten der deutschen Friedensbewegung gegen Defender 2020 mit Interesse verfolgt. Ich war begeistert und überrascht über dem Umfang des Protestes. Leider war das Thema in Belgien fast abwesend in den Medien, und deshalb war der Protest wahrscheinlich auch begrenzt, obwohl der Hafen von Antwerpen eine wichtige Rolle spielte.
Die Corona-Epidemie führte zum Scheitern von Defender 2020. Es sollten die größten Kriegsübungen seit den 1980er Jahren werden. Mitte März kündigte das US-Oberkommando in Europa an, dass Defender 2020 geändert und weitere Truppenbewegungen gestoppt werden. Einige Übungen, in Norwegen, den baltischen Staaten und Polen wurden abgesagt. Während die meisten europäischen Regierungen drastische Anti-Corona-Maßnahmen ergriffen haben, haben die NATO und das Pentagon das offizielle Ende von Defender 2020 noch immer nicht angekündigt, sondern nur dass sie zurückschrauben werden, obwohl in Wirklichkeit fast alles stillgelegt wurde.
Die NATO hält sich wie üblich für privilegiert und positioniert sich arrogant über der Realität. Die anhaltende Weigerung sich zur nuklearen Abrüstung zu verpflichten ist ein Beispiel dieser militärischen Arroganz. Dies gilt auch für das NATO-Abkommen zur drastischen Erhöhung des Militärbudgets in den meisten Mitgliedstaaten, trotz der in Europa auferlegten Haushaltsdisziplin.
Auch wenn Defender 2020 gescheitert ist, gibt es Grund zur Sorge. Die geplante Größe dieser Manöver bestätigt, dass Europa seit einigen Jahren in einer neuen Version des Kalten Krieges 2.0 eingetreten ist.
Russland
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg behauptet, dass dieser massive Militär Einsatz nicht gegen Russland gerichtet ist. Unsinn natürlich. Der Großteil der militärischen Übungen sollte in der Grenzregion zu Russland stattfinden, wobei Deutschland das operative Zentrum war. Seit der Annexion der Krim (2014) steht Russland in den Schlusserklärungen der NATO im Mittelpunkt der Bedrohungen. Die Krim und die russische Intervention in der Ukraine sind natürlich dankbare Argumente für steigende Militärbudgets und den militärischen Aufbau an den Ostgrenzen der NATO. Obwohl das militärische Kräfteverhältnis zwischen Russland und der Westallianz völlig unverhältnismäßig ist, wird Russland als gefährliche Bedrohung für die östlichen NATO-Mitgliedstaaten dargestellt. Das russische Verteidigungsbudget ist kaum höher als das von Frankreich oder Deutschland. Es ist jedoch richtig, dass die wachsende militärische Machtausübung der NATO die Spannungen mit Russland verstärkt. Wir brauchen keine Aufrüstung, sondern Diplomatie, Verhandlungen und vertrauensbildende Maßnahmen, so wie der Helsinki-Prozess seit den 1970er Jahren Abrüstung und mehr Sicherheit gebracht hat.
Militärischer Aufbau in Osteuropa
Zwei Monate nach der Annexion der Krim startete Präsident Obama ein anfänglich 1-Milliarden-Dollar-Programm. Offiziell sollte das Programm die Reaktionsfähigkeiten des westlichen Bündnisses, insbesondere in Polen und den baltischen Staaten, auf “destabilisierende Aktivitäten” verbessern. Das Programm richtet sich eindeutig gegen Russland. In der Zwischenzeit hat Präsident Trump das Budget sechsfach erhöht bis 5,6 Milliarden US-Dollar, obwohl er die NATO noch als “veraltet” bezeichnete und der Ansicht ist, dass Europa mehr militärische Verantwortung übernehmen sollte. Die Stärkung der militärischen Beziehungen zu Polen und den baltischen Staaten, die inzwischen ihre Militärbudgets stark erhöht haben, sichert Großaufträge für die Rüstungsindustrie in der USA. Darüber hinaus stärkt das Programm die Verankerung der US-Truppen in der Region. Auf dem NATO-Gipfel in Warschau (2016) beschlossen die Regierungschefs außerdem, die “Vorwärtspräsenz” der NATO in Polen und den baltischen Staaten mit vier rotierenden multinationalen Bataillonen zu stärken. In Russland wird dies als wachsende Bedrohung wahrgenommen.
Militärausgaben
Während der Präsentation des Jahresberichts in dieser Woche forderte NATO-Generalsekretär Stoltenberg uns auf, die Militärausgaben weiter zu stärken und sie weiter auf 2% des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Bisher haben nur 8 Länder dieses Ziel erreicht. Wenn eines in den letzten Wochen klar geworden ist, dann das: es sind keine höheren Militärausgaben erforderlich, sondern finanzielle Anstrengungen in der Gesundheitsversorgung. Wir brauchen keine Kampfflugzeuge, sondern gut funktionierende Gesundheitszentren. Es ist eine gute Gelegenheit für die Friedensbewegung, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass wir diesem Militarismus widerstehen müssen, der unsere Sicherheit und unseren Wohlstand belastet. Die NATO dient dem Militär-Industriellen-Komplex, nicht dem Volk. Insbesondere die mächtige Rüstungsindustrie verdient damit Geld.
Hoffentlich öffnet die Corona-Epidemie die Augen. Diejenigen, die diese Epidemie anfangs nicht ernst genommen haben, sind die gleichen, die sich auch über die beiden gefährlichsten planetarischen Bedrohungen lustig machen, denen wir HEUTE ausgesetzt sind: Klimawandel und Atomwaffen. Wie zu Beginn der Corona-Epidemie wird die Art dieser Bedrohungen stark unterschätzt und Forderungen nach drastischen Maßnahmen werden leicht zurückgewiesen. Die Auswirkungen einer nuklearen Katastrophe oder drastischer Klimaveränderungen können jedoch weitaus katastrophaler sein. Ich hoffe, dass Warnungen von Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen in Zukunft ernster genommen werden.