Friedensdemo im September warnt vor Kriegsrat in der Messe
Friedensdemo im September warnt vor Kriegsrat in der Messe
Essen, in der Nazi-Zeit “Waffenschmiede des Reiches”, vor kurzem Kultur- und dann Umwelthauptstadt Europas, ist seit sechs Jahren Austragungsort von Konferenzen zur konkreten Beratung über ein Kriegsgeschehen im 21. Jahrhundert.
Die Nato-Strategieschmiede JAPCC (“Joint Air Power Competence Centre“) plant für die Tage von 7. bis zum 9. September 2021 in der Messe Essen eine Militär-Konferenz über die effektive Nutzung der Weltraum- und -Luftwaffe im Ernstfall. Circa dreihundert hochrangige Nato-Militärs, Strategen, Politiker*innen und Rüstungsindustrielle beraten seit 2015 auf ihren Essener Jahreskonferenzen über den Einsatz von neuartigen Waffen und von neuartiger militärischer Gewalt etwa durch Cyberangriffe mit Schadprogrammen im Internet, die beispielsweise die Versorgung großer Regionen und Zentren ausschalten können. Außerdem geht es um sogenannte ‘hybride Aktivitäten’, die die Grenzen zwischen Krieg und Frieden verwischen: ‘Hybrid’ meint eine Mischung aus Waffengewalt von Soldaten und von geheimen sogenannten Spezialeinsätzen. Sie bieten laut Nato-Einladungstext zur diesjährigen Essener Konferenz völlig neue Möglichkeiten, die in Verbindung mit Schnelligkeit über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Auf ihrer 2014er Konferenz „Zukunftspfeil“ (‘Future Vector’) erklärten JAPCC-Militärs einen großen Krieg in Europa für möglich – Zitat: „Die … Annahme, es gäbe keinen großen Krieg in Europa mehr, ist anzuzweifeln”. Statt alles zu tun, um diese Katastrophe zu verhindern, fordern die Militärs einen „angemessenen Mix konventioneller und nuklearer Kapazitäten“. Sie erwarten, dass die Westgrenze Russlands Ausgangspunkt dieses Krieges wird. Spannungen dort hat die Nato, v. a. die USA und Deutschland durch ihre Osterweiterung herausgefordert: US-Außenminister Baker hatte der Sowjetunion 1990während der Verhandlungen über die Vereinigung der beiden deutschen Staaten DDR und BRD zugesagt, dass sich die „Nato keinen Inch nach Osten“ ausbreitet. Zur Des-Information der Nato gehört die Darstellung, Russland habe sich mit seinem Rechtsbruch in der Krim-Krise als gefährlich aggressiv erwiesen; sie blenden die Tatsache aus, dass der Westen zuvor die illegale Einsetzung einer pro-Nato-Regierung in der Ukraine unterstützte. Gesteuerte Teil-Information gehört laut der Essener Nato-Konferenz von 2015 unter dem Titel ‘Strategische Kommunikation’ zu den Mitteln der Strategen vor und während der Kriege, auf die man sich vorbereitet.
2017 forderte die Konferenz in der Messen Essen zum Thema der ‘Nato-Strategie der Abschreckung’ Pläne und Doktrinen zum Einsatz nuklearer Systeme, da diese Arsenale nicht abschrecken, solange man nicht seine Bereitschaft deutlich macht, sie einzusetzen. Die Strategen wurden sogar noch deutlicher und erklärten, das Baltikum sei nur mit einem zu teuren (‘costly’) Aufwand konventionell zu verteidigen. Die Lösung sah man in der Absenkung der Nuklearschwelle mit gezielten Atomschlägen.
Die Konferenz 2018 befasste sich mit dem ‘Nebel des Tages Null’, wobei der Tag Null nicht das Kriegsende, sondern dessen Anfang markiert. Es geht in der Tat um Kriegsvorbereitung.
Die 2019er Konferenz konkretisierte die Vorbereitung auf ein Kampfgeschehen mit dem Konzept der ineinandergreifenden Anwendung aller Waffengattungen vom All über die Luftwaffe bis in das Internet mittels Cyber-War-Schadstoff-Programmen und Trojanern, die sogar Atomkraftwerke angreifen können oder die gesamte finanzielle, gesundheitspolitische sowie Finanzen, Ressourcen und Mobilität steuernde Infrastruktur.
Corona führte zur Absage der 2020er Jahreskonferenz.
Die Friedensbewegung fordert, Strategieplanungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker infrage stellen, zu verbieten. Doch die Stadt Essen und die Landesregierung zeigen keine Bereitschaft, dem Grundgesetz an dieser Stelle Geltung zu verschaffen.
Die Friedensbewegung macht die Öffentlichkeit seit zehn Jahren mit verschiedenen Protestaktionen auf das brandgefährliche Geschehen am Standort Kalkar und in den Essener Nato-Konferenzen aufmerksam. Bei den Friedensaktionen forderten u.a. Konstantin Wecker, Margot Käßmann und Gabriele Krone-Schmalz in Grußworten eine Politik des Friedens in Europa und sie ermutigten die Kräfte des Friedens, ihr Engagement auszubauen.
Margot Käßmann erklärte in diesem Zusammenhang: „Da müsste doch ein Aufschrei um die Welt gehen: ‘Die Waffen nieder!’ “. Gabriele Krone-Schmalz erklärte, ähnlich wie es Eugen Drewermann auf der Essener Friedensdemonstration 2015 geäußert hatte:
„Die große Aufgabe dieses Jahrhunderts scheint mir zu sein, Feindbilder abzubauen und sich Realitäten zu stellen, statt mit einer westlichen Werteideologie Kreuzzüge anzuzetteln…. insofern ist es höchste Zeit, der immer hysterischer werdenden Dämonisierung Russlands Einhalt zu gebieten.“
2021 geht es in der Konferenz um Schlagkraft im Tempo: Die Militärs haben klar gesagt, dass Siege von einer auf Schnelligkeit aufbauenden Strategie abhängen.
Die Friedens- und Ökologie-Bewegungen sind in ihrem friedensökologischen Widerstand gefordert, gemeinsam aufzuklären, koordiniert Protest zu erheben und diese Pläne zu durchkreuzen. Mit einer Essener Friedensdemonstration am ersten September-Wochenende, vor der geplanten JAPCC-Konferenz, werden Friedenskräfte in diesem Sinne aktiv. Diese Aktion wird entsprechend ihrer Bedeutung kurz vor dem Ende des Wahlkampfes ein Höhepunkt demokratischen Engagements der Ökologie- und Friedensbewegung.